Feist Raymond - Schlangenkrieg-Saga 01 by Die Blutroten Adler

Feist Raymond - Schlangenkrieg-Saga 01 by Die Blutroten Adler

Autor:Die Blutroten Adler [Adler, Die Blutroten]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-04-21T17:36:30+00:00


Sieben

Gericht

Roo bewegte sich. Er spürte eine Hand an seinem Bein, und verschlafen tastete er danach. Er merkte, wie die Hand fester zupackte, und plötzlich war er hellwach.

Ein häßliches Gesicht blickte ihn lüstern an und grinste. »Bist ein häßlicher Junge, aber du bist jung.« Es war der nervöse Mann mit dem seltsamen Verhalten, der Roos Bein liebkoste.

»He!« schrie Roo. »Laß mich in Ruhe!« Der Mann lachte. »Hab doch nur ein bißchen Spaß gemacht, mein Junge.« Er erschauerte. »In dieser verfluchten Zelle gehen wir noch alle vor die Hunde. Und nun halt dein Maul und schlaf weiter, dann wird uns beiden warm.« Der Mann drehte sich um, drängte seinen Rücken an Roos und schloß die Augen.

Der Rohling namens Biggo, der eine Stunde nachdem man ihn in die Zelle geworfen hatte, wieder zu Bewußtsein gekommen war, sagte: »Mach dem Kleinen doch keine Angst, Windiger Tom. Das hier ist die Zelle der Todgeweihten, und das beschäftigt ihn viel zu sehr, als daß er einen Gedanken an Romantik verschwenden könnte.« Er sprach mit dem singenden Tonfall der Leute jenseits der Grauen Berge, den man im Westen selten hörte.

Der Windige Tom ging auf den Scherz und das anschließende Gelächter nicht ein und meinte nur: »Ist ein verflucht kalter Morgen, Biggo.«

Erik wurde nun auch wach, und Biggo, der das bemerkte, meinte: »Ist kein schlechter Kerl, der Windige Tom, jedenfalls für einen Lügner und Mörder; er hat nur ein bißchen Angst.«

Roo riß die Augen auf. »Wer hat die nicht?« erwiderte er verzweifelt. Er schloß fest die Augen, als könnte er das alles hier mit bloßer Willenskraft aus seinen Gedanken verdrängen.

Erik setzte sich auf und lehnte sich an die harte Steinwand. Er wußte, daß Roo eine unruhige Nacht hinter sich hatte. Der Junge war mehrmals schreiend aus dem Schlaf hochgeschreckt und hatte sich andauernd hin und her gewälzt. Erik sah sich in der Zelle um. Die anderen Männer schliefen oder saßen schweigend da, während die Nacht sich ihrem Ende zuneigte. Roo war, seit er am Tag zuvor in der Zelle das Bewußtsein wiedererlangt hatte, vollkommen außer sich gewesen; er konnte sich einfach nicht mit der Unausweichlichkeit seines Todes abfinden.

Biggo sagte: »Im Kerker verlieren junge Ärsche oft genug ihre Unschuld, aber der Windige Tom will sich einfach nur ein bißchen aufwärmen.«

Roo schlug die Augen auf. »Aber er riecht, als wäre letzte Woche etwas in seinem Hemd krepiert.«

Tom erwiderte: »Und dein Duft erinnert mich an Veilchen. Jetzt halt das Maul und schlaf weiter.« Biggo grinste, und sein bärenartiges Gesicht wirkte wie das eines großen Kindes mit abgebrochenen und schiefen Zähnen. Die Prügel, die er gestern von den Wachen eingesteckt hatte, verschönerten ihn auch nicht unbedingt; blaue und purpurrote Beulen zierten sein Gesicht. »Ich würde mich auch gern an jemand Warmes anschmiegen. Wie meine Elsmie. Die war vielleicht süß.« Er seufzte und schloß die Augen. »Schade, daß ich sie niemals wiedersehen werde.«

»Du redest, als wären wir alle schon verurteilt«, wandte Roo ein. »Das hier ist die Todeszelle, mein Junge. Du bist hier, weil du zum Tode verurteilt werden wirst, und nicht einer von hundert hat hier länger als zwei Tage bis nach seinem Gerichtsverfahren gesessen.



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